folkshilfe

bunt

25. April 2025

folkshilfe – Bunt (2025)


Schon des Öfteren haben vier Buchstaben die Welt verändert – zumindest für Folkshilfe. „Mit F“  (2015), „Bahö“ (2017), „Sing“ (2019) und „Vire“ (2023) hießen die bisherigen Alben des oberösterreichischen Trios – jetzt geht es weiter mit „Bunt“. Ein Titel, der nicht nur die  kunterbunte musikalische Farbpalette von Frontmann Florian Ritt, Drummer Gabriel Fröhlich und Gitarrist Paul Slaviczek in ein Wort packt, sondern auch gleich das Leben an sich. Mit der handelsüblichen Schwarzweiß-Malerei hält sich das Trio nicht auf, dafür ist die Zeit zkostbar. „Folkshilfe ist bunt, unsere Dialekte sind bunt, Österreich ist bunt, die ganze Welt ist bunt“. Mit diesem Credo huldigt die Band einmal mehr der Gemeinschaft in einer Gesellschaft, die ständig der Gefahr von Entzerrung ausgesetzt ist. „Für mich ist das Leben wie ein buntes Mosaik“, erzählt Ritt zum neuen Album, „und ein Mosaik wird erst dann schön, indem man die richtige Distanz wählt. Bin ich zu nah an einem Punkt dran, dann sehe ich das große Ganze nicht mehr.“


Der Blick über den Tellerrand ist nicht nur im Folkshilfe-Camp essenziell. Mutig bleiben, weiter nach vorne schauen und sich von den Rückschlägen der Realität nicht unterkriegen lassen – das waren die wichtigsten Eckpfeiler, um die Ausrichtung der Band neu zu kalibrieren. Auf der Suche nach neuen Facetten im Quetschn-Synthiepop mit folkloristischem Einschlag findet das Trio seine Liebe zu 80er-Beats. Programmatisch beginnt das Werk mit dem vorwärtstreibenden, elektronischen „Schritt für Schritt“, das als inhaltliche Blaupause für das Wesen von Folkshilfeherangezogen werden kann. „Wir sind als Band schon sehr große Schritte gegangen, aber immer einer nach dem anderen. In guten Zeiten kann man schneller voranschreiten. In schwierigen muss man die Schritte auch mal verkleinern. Wir sind als Band gewachsen und Schritt für Schritt in eine gute Richtung gegangen. Mittlerweile sind wir in einem Alter, wo wir das Erreichte auch annehmen können.“


Fernab des kapitalistischen Leistungsprinzips streben Folkshilfe nach mehr – aber nicht um jeden Preis. Ein ausverkaufter Auftritt in der Wiener Stadthalle? Eine Nummer eins in den AlbumCharts? Bitte gerne, aber keinesfalls auf Kosten der Glaubwürdigkeit und des eigen ausgerichteten Kompasses. Krankheiten, Hörstürze, Todesfälle, Trennungen und Beziehungsprobleme begleiteten die Musiker durch die letzten Jahre und ließen eine essenzielle Erkenntnis reifen: Am glücklichsten lebt man im Moment – direkt im Hier und Jetzt. So ist auch das beat-lastige „Verliebt“ als eine Hommage an die Gegenwärtigkeit zu verstehen. „Wenn man sich verliebt, regiert oft die Angst vor der Zukunft. Wird das gut? Bleibt diese Liebe? Was passiert, wenn man wieder auseinandergeht? Aber was ist, wenn man sich einfach fallen lässt und den Zustand genießt, den man gerade erlebt? Wenn man erkennt, wie es sich anfühlt, inmitten der Schmetterlinge zu sein, die im Bauch flattern.


Mehr denn je zuvor ist „Bunt“ eine konzeptionelle Reise, ohne sich aber ein Konzept aufgezwungen zu haben. Wie Zahnräder greifen die Songs ineinander und erzählen eine Geschichte, die vom Menscheln und Menschsein handeln. „Im Leben gewinnt man und im Leben verliert man – aber es geht am Ende immer weiter“. „Therapie“ ist ein Song, in dem es nicht nur um das Hilfesuchen, sondern auch um die Selbstliebe und den Zugang zum Leben geht. „Die Wöt bewegt sich a ohne mi / i leg mi afoch wieder hi“ heißt es im darauffolgenden „Weit weg“. Auch wenn es uns das Diktat der Wirtschaft immer einbläuen möchte – die Welt dreht sich auch ohne uns weiter. Manchmal reicht ein kühles Bier auf einer Almhüttenterrasse mit Blick auf die sonnenbeschienenen Berge, um die vielen Probleme des Alltags wegglitzern zu  lassen. Die Sehnsucht nach selbstgewählter Einsamkeit, die wieder Kraft bringt, um sich den Herausforderungen des Lebens stellen zu können.


Auf „Bunt“ greifen Folkshilfe gleich zweimal auf Freundschaftsdienste zurück. Paul Pizzera ist in „Owa vom Gas“ zu hören, während man mit der Vöcklabruckerin Avec bei „Home/Dahoam“ ein besonders interessantes Experiment wagt – eine frei von Pathos und Patriotismus befindliche Ode an die Heimat, vorgetragen auf Englisch und im oberösterreichischen Dialekt. Zweisprachig und international, aber doch auch rational und erdig. Ein melancholisch-emotionaler Anker auf einem Album, das mit den unterschiedlichsten emotionalen Zuständen jongliert. „Ana für olle“ ist ein atmosphärisches Plädoyer für Rücksicht und Verständnis, während sich der unzweideutig betitelte „Opportunist“ direkter an die aktuelle Polit-Landkarte anlehnt: „Rückgrat wie a Gartenschlauch / Gefühl wie a Dornenstrauch“. Da darf am Ende auch einmal die Quetschn grenzenlos aufjodeln.


Gegen Ende hin läuft „Bunt“ in die schwierigen Ecken des Daseins ein. „Ohne di“ ist eine berührende Hommage an Ritts verstorbenen Vater, die nicht nur temporäre Überforderung, Trauer und Schmerz ins Zentrum des Geschehens setzt, sondern auch als Wegweiser für die Konfrontation mit dem allumfassenden Thema Abschied dient. Einer der berührendsten und wichtigsten Songs der Folkshilfe-Historie, dessen Veröffentlichung Ritt lange überlegte. „Das Lied wird meinem Papa aber gerecht und wenn wir nur eine Person damit erreichen, dann ist damit alles geschafft. Die Reaktionen der Menschen auf dieses Lied sind überwältigend.“ Das balladeske „Schau auf di“ schließt die bislang bunteste Klangreise der Folkshilfe mit der wichtigen Botschaft zur Achtsamkeit ab: Auch wenn man für Dinge brennt, ist es wichtig, dabei nicht auszubrennen. Bei Folkshilfe besteht diese Gefahr nicht mehr. Über all die Jahre hat das Trio sein eigenes Tempo für Karriere, Spaß und Zufriedenheit gefunden. „Bunt“ lädt uns dazu ein, diese Reise mit allen Poren des Spürens mitzugehen